Montag, 7. November 2011

Monatsbericht Oktober

Rivas, 7.11

"Guckt mal hier, der dritte! Ist etwas konfus, also tut euch das lieber nicht an! phehe :P

(...)
Am zweiten Tag meines Aufenthaltes in Nicaragua zeigte man mir einen Graphen, der recht eindrucksvoll die Höhen und Tiefen eines Freiwilligenjahres wieder zu geben versucht: Der Tiefpunkt ist demnach der dritte Monat. Oh Gott.
Ich beschäftige mich täglich intensiv mit meinen Gefühlen – und muss somit das Gegenteil behaupten: Mir nach, ist der dritte Monat der verdammte Hochpunkt!

Soviel zu meiner überschwänglichen Einleitung, bleiben wir nüchtern. Auch dieser Bericht wird in einem Guss verfasst, ohne Gliederung oder Schnick-Schnack – damit auch ja Niemand die faden Teile überspringt. Achja, Ironie lässt sich aus meinem Sprachgebrauch nicht verbannen, auch wenn sie geschrieben meist eher daneben geht.

Vermutlich aufgrund meiner neu gewonnenen Sprachfertigkeiten, geht es mir gerade klasse. Ohne Sprachschule, ja selbst ohne Vokabelheft, welches irgendwie nicht mehr aufzufinden ist – machte ich große Fortschritte in letzter Zeit.
Und was mir vorher so gefehlt hat, Kontakt, offenbart sich mir jetzt viel, viel leichter. Das Lernen ist sozusagen ab einem gewissen Zeitpunkt ein Selbstläufer, sprich und lerne, lerne und spreche. Und in allen anderen Bereichen hilft Sprechen ebenfalls, hätte ich nie gedacht. Aber mal im Ernst, wer hier her kommt, - du lieber Freiwilligenanwärter – tut gut daran, Spanisch zu verstehen, zumindest einige Grundlagen vorzuweisen.
Ich hingegen tue glaube ich gut daran, etwas weniger zu schwafeln.
Fangen wir an mit A wie Arbeit: Die Bürotage sind immer noch langweilig, was sich auch nie ändern wird. Was ich schon früher ahnte, ist jetzt also bestätigt: kein Bürojob für mich.
Allerdings habe ich jetzt einige Sachen zu tun, neben Helfer Tätigkeiten (Nahrungsmittelbeschaffung) mache ich viel graphisches Zeug am PC, Zeichnen für allerlei Unterrichte, Excel Tabellen mit Zahlen bestücken oder auch Fotos retuschieren. Neben den Bürotagen gibt es glücklicherweise noch die „Draußen-Tage“, die ich liebend gern damit verbringe, Gemeinschaften auf dem Land zu besuchen und Englisch, Umweltkunde oder auch Zeichenunterricht zu geben.
Die Englischstunden gebe ich inzwischen vollständig alleine, was mir an Tagen wie heute ein echt gutes Gefühl gibt – ich hab was geschafft. Die Klasse heute bestand aus 7 Mädchen zwischen 14 und 20 – dauerte 4 Stunden – und war dementsprechend anstrengend. Solange meine Schüler wenigstens ein Bisschen behalten, werde ich gerne auch weiterhin den Lehrer, sprich einen Menschen der nicht viel versteht, spielen.
Mit meinen Kolleginnen komme ich super klar. Und zum mitschreiben: Meine Chefin ist der netteste Mensch den ich kenne. Sie gibt mit morgen frei, damit ich von meinem Wochenende auf der Isla Ometepe mehr habe!
Dorthin verschlägt es mich nämlich, da am bevorstehenden Wochenende Wahlen angesetzt sind, die ich lieber an einem etwas stilleren Örtchen erleben möchte.
Wo wir schon bei B, wie Banane wären. Bananen sind gelb, rund und günstig. Ich esse täglich 2 bis 10 davon, um nicht zu verhungern, bei dem jämmerlichen Budget. Auch Orangen machen sich von Zeit zu Zeit sehr gut, sie kosten auch nur ½ C$, das sind so etwa 1,5 Cent. Da fällt mir ein, ich brauche dringend einen Mixer, um mir Shakes zu machen.
Es passt gerade einfach so gut, deswegen gibt’s doch so eine Art Gliederung, ABC usw.
Zwischendurch also mal ein etwas trauriger Punkt: C wie Crankheit. Irgendwie ist mein Körper wohl noch etwas zu schwächlich; ich bin viel zu oft cränklich. Nicht crank. Zum Beispiel die Sache mit dem Fuß, Erkältungen, Kopfschmerz ab und zu. So ist das halt, wenn man ein Leben auf der fucking Überholspur führt.
D wie Dauerregen: ist jetzt zum Glück Geschichte! Der nicaraguanische Frühling sozusagen, zumindest fühlt er sich so an, steht vor der Tür- die Tage sind blau, sonnig, angenehm kühl. Nach all dem Regen hab ich mir das echt verdient.
E wie Eklig: Sind die Scheiß-Viecher hier! Mücken, Spinnen, einfach alles kriecht. Zumindest wurde ich schon Zeuge einer gewaltigen Ameisenstraße, ihre Struktur, für die Biologen unter euch, wie folgt: Außen die Späher, von mittlerer Grüße, verteilt in regelmäßigen Abständen. Dann die Krieger, groß, rot und ziemlich grimmig dreinschauend: Sie bilden das aggressive Rückgrat der Truppe, auch wenn sie ihre Frauen zu Hause sehr vermissen. Weiter innen folgen die Koordinatoren, klein aber intelligent. Und ganz innen, schnell in einer Reihe Blattstücke transportierend: der Arbeiter. Faszinierend!
F wie … -.- egal.
Jetzt hab ich keine Lust mehr auf die Buchstaben.
Reisen ist mein erklärtes Zentrum des Freiwilligendienstes. Nichts auf der Welt kann schöner, spannender und auch lehrreicher sein. Besonders empfehlenswert ist dies mit zwei Freunden dabei, damit einer beim Schlafen immer auf die Sachen aufpassen kann, während der andere schon mal Frühstück macht. Glücklicherweise wimmelt es hier nur so vor Leuten, die gerne dein Freund sein möchten, diese Leute haben noch dazu die Angewohnheit dir ständig über den Weg zu laufen, egal wo du bist. Egal wo. Wo waren wir? Reisen macht mich high.
Und Nein!, ich bin nicht high, auch wenn dieser Text vielleicht so klingt, bin einfach nur gut drauf. Das klingt schon wieder falsch. Ich bin einfach nur fröhlich.
Und das schlimme daran ist: Ich sollte nicht fröhlich sein, bei all den fiesen Dingen, die so in der Welt passieren. Allein, hier in Nicaragua, bin ich sicher. Da fliegt man ans andere Ende der Welt, in ein sehr armes Land – und macht sich Sorgen um seine Leute daheim. Zumindest erfahre ich kaum was hier so vor sich geht, meine ich. Hurrican, Vogelgrippe, Proteste, blabla, niemand hat auch nur davon gehört.
Ich weiß nicht ob dieser Bericht hier Irgendjemanden zufrieden stellt, vielleicht wollt ihr ja Infos à la „Ich stehe auf um 3, arbeite bis 100 und meine Hobbys sind blau und gelb.“ Aber da hab ich keine Lust drauf, zumindest heute.
Bevor ich´s vergesse; lieber Spender: DANKE,DANKE,DANKE! DU BIST SO LIEB!
Das war jetzt echt nicht ironisch, ich finde es immer noch unglaublich, das man mir einfach mal eben so was hier ermöglicht. Mit einem Bisschen Geld kann man hier unten schließlich leben, und Erfahrungen sammeln, die man da Oben in tausend Jahren nicht macht. Und ich fordere: Gleiches Recht für alle! Warum ermöglicht man so verdammt wenigen Leuten, sowas zu machen? Bei uns in Deutschland, mit Förderung und allem, schön und gut, - aber warum darf nicht auch ein Nica zu uns kommen? 
...
Z wie zurück Zuhause: Ich habe eine kurze Pause einlegen müssen, doch meine Stimmung ist nach wie vor ...strange. Gerade habe ich zwei wunderbare Orte in Jinotega kennengelernt, Bar und Club – und dass muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Nightlife in Jinotega, actually exists. Ich bin gerettet.
Und hiermit will ich meinen Bericht schließen, auf dass er nicht die magischen 2 Seiten überschreitet. Macht´s gut Freunde, kommt mich mal besuchen. Es ist geil hier. Marbin"

2 Kommentare:

Jacobo hat gesagt…

Geiler Monatsbericht.Sehr unterhaltsam und auch kein "Ich esse Kuchen, hab heute 3 Zigaretten geraucht und mein Chef heißt Ingo. In Nicaragua regnet es viel. "- Bericht!! Bombe
Die Ameisenstraßenanalyse ist genial hombre. Die große Welt der Ameisiologie steht dir nun offen mein junger Padawan. Komm bald nach Managua
Gruß, Jakob

marvin hat gesagt…

Mein Cheffin heißt María, ansonsten stimmt alles. danke und auf bald!