Montag, 24. Oktober 2011

Peligroso, Peligroso

Jinotega, den 24.10.

„Es scheint wohl, mir sei langweilig. Ihr wurdet Zeugen meiner Stimmungsschwankungen, seit einigen Wochen fühlt sich jeder Tag anders an – was auch mein Gesamtbild der Experiencia gehörigen Schwankungen unterwirft. Ob der Tag nun eben arbeitsam, faul, langweilig, spaßig, entspannt oder hektisch verläuft, entscheidet über mein Wohlbefinden. Natürlich bin ich selbst verantwortlich für meinen Tag, und insofern optimiere ich zur Zeit meine Aktivitäten. Das heißt, ich gestalte meinen Arbeitsalltag um, soweit es geht – zum Beispiel indem ich eigene Projekte antreibe, wie zum Beispiel den Kunstunterricht, oder das GPS-Projekt. Sehr gerne würde ich auch musikalisch Fuß fassen, das bisschen klimpern auf der Gitarre reicht nicht recht. Jedenfalls, was wollte ich sagen,--.. ja, mein Arbeitsalltag wird soweit umgestaltet, dass er sich ganz gut in meinen Urlaub hier einfügt. Am Wochenende war ich in Managua, Granada und Matagalpa, Städte und Tage, die ich sehr genießen konnte. Fotos davon gibt’s nicht, oder erst wenn die Filme entwickelt sind.
Managua war eine gute Überleitung zum heutigen Thema: Peligroso!
Ich dachte, der entspannte Lebensstil der Nicas geht mit Sorglosigkeit einher, zumindest dachte ich, die Vorbereitungsseminare und Warnungen meiner geliebten Mutter wären der Zenit der Angst-mache gewesen. Dem ist offensichtlich nicht so. Busfahren, Taxifahren, Barfuß laufen, Wasser trinken, all das sind für mich natürliche Bestandteile des Lebens. Weg zu denken, sind sie zumindest nicht. Trotzdem aber, werde ich an allen Ecken vor dem und jenem gewarnt – eindrücklich gewarnt, Lebensgefahr droht mir scheinbar überall, nur mein Bett und Zimmer ist wohl einigermaßen sicher. Fremde Städte besuchen – Wahnsinn, Nachts reisen – Lebensmüde. Frage ich mich nur: Aha, wo bleibt der Spaß? „No Risk, no Fun, das ist mein Motto.“- sagten schon eine Menge Idioten vor mir. Und um vorwegzunehmen was sich jetzt einige von euch denken: ich bin mir meiner Naivität bewusst, wenn ich sage, die Gefahr einschätzen zu können. Deshalb rede ich auch mit den Einheimischen, frage was man machen kann, was nicht. Danach bleibt mir immer noch die Möglichkeit, darauf zu pfeifen. Kleine Städte wie Jinotega, schüren meinem Empfinden nach die Angst, vor Allem außerhalb. Dann und wann passiert vielleicht auch mal was, das sich dann in die Köpfe der Bewohner einprägt. Viele Leute hier verlassen ihre Stadt deswegen niemals. Die Medien spiegeln und verstärken das Empfinden der Nicas in der Richtung, Zeitungen und Fernsehen sind gefüllt mit schrecklichen Berichten von Überfällen und Unfällen, an grausamen Bildern spart man nicht.
Bis jetzt jedenfalls, hat mich mein Glück und das Bisschen Verstand noch nicht im Stich gelassen. Schön für mich, komme ich doch weitaus mehr herum, als manch anderer Freiwilliger, der sich lieber Zuhause in Sicherheit wiegt. Nur so kann ich übrigens auch die Gefahren einschätzen lernen... das klingt nach einer Rechtfertigung, brauche ich die? Schreibt mir, was ihr zum Thema „Peligroso“ meint, danach bleibt mir immer noch die Möglichkeit, darauf zu pfeifen!
Wo ich mich heute schon so weit aus dem Fenster gelehnt habe, ist auch noch ein bisschen Platz für Politik: Der Umgang mit Gaddafi und Libyen-Revolution ist ein bewegendes Thema hier. Daniel Ortega, Präsident Nicaraguas hat, zumindest gerüchteweise, als einziges Staatsoberhaupt dem Libyer Asyl angeboten, - der Dreierbund Ortega, Gaddafi und Chávez waren wohl ziemlich dicke Kumpels. Jetzt sind natürlich alle entsetzt und schrecklich traurig, sogar ein bisschen stinkig auf uns Europäer. Der Punkt ist jedoch folgender: Ich selbst finde den nicaraguanischen Standpunkt durchaus nachvollziehbar. Je nachdem, welche Medien man konsultiert, ist von Revolution des Volkes Libyen gegen den Tyrannen, oder vom Raub des libyschen Reichtums (Öls) auf Kosten Tausender Menschenleben die Rede. Für mich jedenfalls verdichtet sich das Bild, die Revolution sei eigentlich gar keine gewesen, - manchen Quellen zufolge waren anfangs nur wenige Hundert Demonstranten auf den Straßen, die UN habe aufgrund wirtschaftlicher Interessen interveniert und einen halbwegs funktionierenden Staat über den Haufen geworfen – siehe Afghanistan. Von einer Besserung kann jedenfalls keine Rede sein. Oder doch? Gib mir Senf! Wer übrigens „alternative Nachrichten“ will, soll doch mal die „Kopp Nachrichten“ testen, ich find´ die gut.
Jetzt hab ich ein ziemlich schlechtes Gewissen, das hier auf meinem Blog zu posten, will ich doch „Völker verständigen“ und so, auch nicht meine treuen Stammleser mit meinem Gedankenmüll enttäuschen – der Kram beschäftigt mich einfach, ich wurde schon mehrmals angesprochen – und ich bin mir sehr unsicher, ob der NATO-Einsatz da irgendwie zu vertreten ist. Also bitte, belehrt mich. Demütig, Marvin."

Ich bin ganz schön groß. Phehe.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

mittelgroß, allerhöchstens.